Wer die Struktur eines Proteins kennt, der versteht seine Funktion! Daran glaubt auch der Strukturbiologe Prof. Arne Möller. Seiner Liebe für die Struktur kleinster Moleküle wird er ab Herbst 2020 endlich auch in Osnabrück nachgehen können- ihr werdet ihn dann schon bald in der Lehre treffen. Was die Strukturbiologie für ihn bedeutet und wie er selbst als Student so war, das könnt ihr hier erfahren.

Hallo Herr Möller!

Sie sind gebürtiger Osnabrücker und nach über 20 Jahren in Mainz, San Diego, Aarhus und Frankfurt für die neue Strukturbiologieprofessur am Fachbereich Biologie können Sie nun wieder nach Osnabrück zurückziehen. Wie kam es dazu?

Geboren bin ich in Schweinfurt, aber mit 5 Jahren nach Osnabrück gezogen. Dass ich wieder zurückkomme, ist zusätzlich zur Professur, wirklich das „icing on the cake“! Ich hatte eigentlich nicht geplant oder daran gedacht nach Osnabrück zurückzukehren (obwohl es mir hier sehr gut gefällt) und habe mich deutschlandweit umgeschaut. Als ich mich auf die Stelle hier an der Universität beworben habe ist mir schnell klargeworden, dass ich einfach super hierhin passe, das war eigentlich der Hauptgrund, nach Osnabrück zurück zu kommen.

Mit dem Wechsel vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt an die Universität wird auch die Lehre für Sie ein Thema werden. Freuen Sie sich darauf?

Ja total, das mache ich wirklich gern! Ich werde bald das Chemiepraktikum anbieten, allerdings ist das mit Corona ja etwas schwierig. Zusammen mit dem Chemiedidaktiker Prof. Marco Beeken bereiten wir deshalb ein digitales Labor vor, ein Projekt, dass auch von der Universität unterstützt wird. Das ist natürlich kein adäquater Ersatz aber es ist halt in dieser Zeit „as good as it gets“ – und später können die Studenten dieses digitale Labor auch zur Vorbereitung auf Prüfungen usw. einsetzen. Ab Herbst werde ich dann das Modul Strukturbiologie anbieten, darauf freue ich mich auch besonders.

Was mögen Sie an der Lehre?

Wir haben ja alle unser Hobby zum Beruf gemacht und da ist natürlich schon schön, wenn man da jungen Leuten vermitteln kann, warum man sich dafür interessiert und warum es faszinierend ist.

Was begeistert Sie besonders an der Strukturbiologie?

In der Strukturbiologie bestimmen wir die Struktur von den kleinen Proteinen und makromolekularen Komplexen, die innerhalb unserer Zellen ihre Arbeit verrichten. Da in der Natur die Struktur immer die Funktion bestimmt erhält man eine Fülle von Informationen sobald man den Aufbau dieser Nanomaschinen bis ins Detail geklärt hat. In meiner Arbeitsgruppe setzen wir hierfür hauptsächlich die Elektronenmikroskopie ein. An ihr begeistert mich ganz besonders, dass es eine direkte Methode ist. Wenn man den ganzen Tag im Labor gestanden hat und klare Flüssigkeiten in andere klare Flüssigkeiten pipettiert hat und dann einen Tropfen dieser Probe ans Mikroskop bringt und plötzlich mit hunderttausendfacher Vergrößerung kleine Objekte sieht, die auch wirklich so aussehen wie im Schulbuch ein Protein aussieht - das ist etwas, das mich nie wieder losgelassen hat und das finde ich immer noch faszinierend. Als ich das als Diplomand zum ersten Mal gesehen habe, habe ich mir sofort gesagt: Das musst du machen!

Mittlerweile ist die Technik auch so viel besser geworden: Früher war man über einen weißen Punkt froh und heute kann man sogar einzelne Atome sehen! Die Proteine sind wie kleine Maschinen, bei denen sich immer wiederholende Bauteile anders zusammengebaut werden, wie Legos, und daraus ergibt sich dann die Funktion.

Hier in Osnabrück etablieren wir gerade die Kryo-EM im Forschungsbau CellNanOs (Anm. der Red.: Die Kryo-EM, kurz für Kryoelektronenmikroskopie, ist ein Verfahren, bei dem die Probe im schockgefrorenen Zustand untersucht wird. So kann ein unverfälschtes Bild der Probe erzeugt werden, weil auf Fixierungs- und Kontrastmittel verzichtet werden kann. Für diese besondere Mikroskopietechnik gab es 2017 den Nobelpreis). Wir sind total gespannt was wir entdecken und freuen uns auf die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Arbeitsgruppen hier auf dem Campus.

© Universität Osnabrück | Lena Dehnen

Die Natur bestimmt die Funktion immer durch seine Struktur. Das gilt für unsere Hand mit ihren vier Fingern und dem einen Daumen, sodass man greifen kann genauso wie für ein Protein. Wer also die Struktur kennt, kann die Funktion viel besser erklären. So beantwortet die Strukturbiologie ganz viele offene Fragen.

Nach der Promotion waren Sie lange Zeit zum Forschen und Arbeiten in San Diego in den USA und sind nun wieder in Deutschland. Haben Sie einen Unterschied in der Wissenschaftsmentalität zwischen beiden Ländern feststellen können?

Ja, ich habe riesige Unterschiede erlebt! Deswegen finde ich es auch so wichtig, als Wissenschaftler ins Ausland zu gehen und sich das anzuschauen. Die Herangehensweise an wissenschaftliche Probleme ist schon unterschiedlich, wenn man die USA mit Deutschland vergleicht. Wenn man beides erlebt hat kann man sich das, was für einen am besten funktioniert, heraussuchen. Ich habe in den USA gelernt nicht zu früh aufzugeben, „always try everything“!

Wie waren Sie als Student?

Als Student war ich glaube ich schon ganz gut, aber als Schüler eher nicht! Ich habe nach der Schule erst Maschinenbau studiert, ich weiß nicht, warum ich mich nicht direkt getraut habe, Biologie zu studieren. Aber dann bin ich doch für das Biostudium nach Mainz gegangen und hatte da von Anfang an eine gute Lerngruppe. Wir waren zu dritt und wir sind immer noch allerbeste Freunde, von dem Einen bin ich z.B. der Trauzeuge und die Andere ist immer noch meine beste Freundin. Das hat mir, glaube ich, ganz viel gebracht. Wenn man dann einmal den Einstieg richtig geschafft hat und richtig im Studium drin ist und sich die Arbeitsabläufe angewöhnt hat, dann wird es ein Selbstläufer. Dann weiß man, worauf es ankommt! In der Schule war mein Problem, dass ich nie wusste, worauf es ankommt. Da hat mir meine Lerngruppe viel geholfen, das hat mir eine andere Perspektive gebracht.

Empfehlen Sie Studierenden auch, sich solche Gruppen zu suchen?

Auf jeden Fall! Es ist ja nicht so, dass man auf so eine Gruppe angewiesen sein muss, am Ende schafft man ja auch alles allein, muss ja auch. Das Studium hilft einem ja auch, das Lernen zu lernen. Als Schüler war ich sicherlich auch nicht doof, habe aber zu oft den falschen Ansatz gewählt. Das hat erst in der Gruppe funktioniert.

Gab es während Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn ein besonderes Erlebnis oder Ereignis, das Sie motiviert hat, die Professorenlaufbahn anzustreben?

Ich war immer Hockeytrainer und Rudertrainer, das heißt ich mochte schon immer gerne, Leuten etwas beizubringen und die Wissenschaft und das Entdecken hat mich immer fasziniert. Aber ich hab‘ mir nie getraut zu sagen: „Ich werde Professor!“ und hatte immer ein Ausstiegsszenario aus der Wissenschaft parat. Aber als ich dann in 2017 so eine besonders wichtige Publikation veröffentlichen konnte, da habe ich gedacht, ok, jetzt muss es klappen! Ich habe dann auch meine Exitstrategie über Bord geworfen und alles darangesetzt, dass es funktioniert. Irgendwie wusste ich auch: Jetzt wird es klappen!

© Universität Osnabrück | Lena Dehnen

Um die Struktur eines Proteins im wahrsten Sinne des Wortes besser begreifen zu können, nutzt Prof. Möller einen 3D-Drucker und druckt sich seine Forschungsobjekte kurzerhand aus. Dieses Modell eines ABC-Transporters mit zwei Untereinheiten hat eine Auflösung von gerade einmal 2,8 Ångström. Ein Ångström ist ein unglaubliches Zehnmillionstel eines Millimeters und entspricht der durchschnittlichen Größe eines einzigen Atoms! Das Modell ist dementsprechend so detailliert, dass man mit bloßem Auge die Seitenketten der Aminosäuren erkennen kann, die wie kleine Fortsätze aus dem Modell herausragen.

Was ist eine Herausforderung in der Wissenschaft?

Gefühlsmäßig beschreibe ich die Wissenschaft immer als eine Sinuskurve (oder Cosinus – je nachdem wie man anfängt). An einem Tag ist alles toll, man hat gute Ergebnisse und die Experimente funktionieren. Ein paar Tage später ist man dann ernüchtert, weil wenig klappt oder sich die guten Ergebnisse vom Vortag nicht bestätigen lassen oder man findet heraus, dass man alles verkehrt gemacht hat. Dieses Auf und Ab ist schon eine große Herausforderung.

Wie schaffen Sie es, sich in so einem Tal zu motivieren?

Weil ich weiß, dass es wieder nach oben geht, weil es immer eine Sinuskurve ist. Ist wirklich so!

Welches Buch und welche Publikation liegen gerade ganz oben auf Ihrem Schreibtisch?

Das letzte Buch, das ich gelesen habe, handelte von einem Punkrockstar, der festgestellt hat, dass er eigentlich eine Frau ist. Das Buch heißt „Tranny“ und ist von Laura Jane Grace geschrieben. Die Punkband heißt übrigens „Against Me!“. Das fand ich sehr gut. Das Research Paper was gerade bei mir oben liegt, ist ein sehr detailliertes Methodenpaper, die lese ich eigentlich am allerliebsten. Da geht es darum, wie man elektronenmikroskopische Objektträger besser machen kann. Das ist von John Rubinstein und heißt „Shake-it-off“. Aber ich lese jeden Tag und jede Woche neue Paper, das ist jetzt das von heute. Wir haben in der Arbeitsgruppe einen Journal Club in dem jeder vorstellt, was er oder sie gerade liest und eine Empfehlung abgibt, ob die anderen das auch lesen sollten.

Was sind Ihre Hobbies?

Meine Hobbies sind meine Kinder und meine Familie, das steht ganz weit oben! Ich fahre gerne Fahrrad und spiele Hockey, mal schauen ob ich in Osnabrück auch weiterspielen kann, da gibt es nämlich zwei Gruppen.

 

Vielen Dank für das Interview!